Was ist Verhaltens-therapie?

Geschichte und Methodik

Geschichte

Es gibt nicht DIE Verhaltenstherapie! Vielmehr bezeichnet Verhaltenstherapie eine Vielzahl von Ansätzen, die aufgrund gemeinsamer Grundkonzepte zusammengehören.

Im „Behaviorismus“ ging man zunächst von einem direkt beobachtbaren Verhalten – somit einem lerntheoretischen Verständnis – für die Entstehung und Therapie von Störungen aus (siehe Bandura, Lazarus). Die Kernfrage war diejenige, wie der Mensch lernt?

Durch die „kognitive Wende“ (cognitive revolution nach Dember, 1974) kamen nicht unmittelbar beobachtbare Aspekte hinzu. Wie denkt und verarbeitet der lernende Mensch Inhalte? Welche Verarbeitungsmuster, kognitive Schemata etc. bestehen? (siehe Ellis, Beck, Meichenbaum)

Als 3. Welle in der Verhaltenstherapie werden aktuelle Ansätze bezeichnet, welche auf die Kombination aus bisherigen verhaltenstherapeutischen Methoden UND achtsamkeits- sowie akzeptanzbasierten Verfahren, aus Wert- und Sinn- sowie meditativen Fragen abzielen.

Die Verhaltenstherapie befindet sich somit in stetiger Weiterentwicklung. 

Methodik

Verhaltensanalyse:

Horizontale Verhaltensanalyse: SOR(K)C

Eine Situation S wird durch einen (Gesamt-)Organismus O (den Menschen in seinen Denkmustern, Einstellungen, somit psychischen und physischen Merkmalen) gefiltert, so dass dieser in einer Art und Weise reagiert R (motorisch beobachtbar, kognitiv, emotional, physiologisch), woraufhin eine innere oder eine Konsequenz der Umwelt C folgt, welche zu einer Erhöhung oder Senkung der Auftretenswahrscheinlichkeit der Reaktion in Zukunft führt. Erlebe ich ein Bestrafung als Konsequenz auf meine Reaktion/Verhalten, werde ich dieses Verhalten als nicht lohnenswert für die Zukunft verbuchen, bei erlebter Belohnung behalte ich das Verhalten bei.

In der Therapie lernen Kinder- und Jugendliche sowie deren Bezugspersonen diese Zusammenhänge zu verstehen und zu verändern. Dabei setzt die Verhaltenstherapie an den entsprechenden Variablen des Sorkc-Modells an, wie beispielsweise in der Organismusvariable hinsichtlich eines positiven Selbstwirksamkeitserlebens durch Erkennen von „Denkfehlern“ oder eines Aufbaus im Verhaltensrepertoire durch Rollenspiele.

Die Möglichkeiten der Intervention richten sich nach den individuellen Gegebenheiten und nach dem Patientenalter. Je jünger die Patient/innen, desto intensiver werden Eltern in den Prozess der Therapie integriert. 

Vertikale Verhaltensanalyse:

Innerhalb der Therapie ist es wichtig zu verstehen, weshalb bestimmte Muster im Verhalten und Erleben bestehen. Diese Muster oder Schemata bilden sich im Laufe des Lebens aus Erfahrungen mit der Umwelt heraus. Die Grundbedürfnisse nach Orientierung/Kontrolle, Bindung, Selbstwert sowie Lusterleben müssen durch das Individuum geschützt werden, so dass der Mensch Oberpläne wie „Sei etwas Besonderes“, hier im Selbstwertbedürfnis, ausbildet. Durch Erfahrungen mit Kritik oder Modelllernen kann beispielsweise ein gesunder Oberplan wie „Sei etwas Besonderes“ zur Opposition mit verbalaggressiven Verhalten (Unterplan) führen. Denn auch auf diese Art kann man sich von anderen unterscheiden. Vielleicht möchte man jedoch auf  eine eher gesellschaftlich-konforme Art auffallen wie durch gute Leistungen oder möchte auf der Ebene des Grundbedürfnisses Bindung gesellschaftlich akzeptiert sein. Nun steckt der junge Mensch in einer Konkurrenz der Ziele, einer Diskordanz, und erlebt sich in seinen Zielen nicht erfolgreich, da er sich ja einsam (da verbal aggressiv) fühlt (Inkongruenz).  Die Psychotherapieforschung von Klaus Grawe bezeichnet den Zustand von Inkongruenz und Diskordanz als ein Inkonsistenzerleben, welches erst zu psychischen Problemen führt.

Auf vertikaler Ebene wird mit Hilfe der sogenannten Plananalyse nach Caspar gemeinsam die Ebene der inneren Pläne hinsichtlich Bedürfnisbefriedigung beleuchtet. Konkurrierende Pläne oder unerfüllte Wünsche für das aktuelle Leben werden somit greifbar, bearbeitbar. 

Gerade für Jugendliche kann es entlastend sein, sich selbst in seinen Gründen für das eigene Verhalten und Denken zu verstehen. Dies kann eine gute Einleitung z. B. für eine Teilearbeit sein, in der sich der Mensch beispielsweise seines verletzten inneren Kindes, seiner Elternanteile oder eines inneren Kritikers bewusst wird.  Innere Teile können dabei lernen, miteinander zu kommunizieren. Beispielsweise können gesunde Anteile wie ein Spaßteil einen traurigen Teil trösten oder ein trauriger Anteil in der Person auch Vorteile wie Reflektiertheit für das eigene Leben oder Feinfühligkeit für andere Personen mit sich bringen.  Dieses innere Erleben kann man nach Außen bringen (externalisieren), indem diese Teile comic-haft skizziert, aus Figuren aufgestellt oder geknetet werden. Durch diese Externalisierung entsteht die nötige Distanz, um sich mit seinem Inneren konfrontieren zu können.

Ich hoffe, Ihnen einen kleinen Einblick in die Welt der Verhaltenstherapie gegeben zu haben.  

Die Möglichkeiten sind so vielfältig wie die einzelnen Persönlichkeiten der Patient*innen.